Material

BESTANDSREDUZIERUNG MIT DEM KANBANSYSTEM


Abgrenzung zum PPS-System


Kanban ist das japanische Wort für Karte – in diesem Kontext für eine Materialbegleitkarte. Auf dieser Karte sind sämtliche Informationen, die man benötigt, um eine bestimmte Menge von Teilen zu produzieren, oder zu transportieren. Das Kanbansystem ist ein Element des Toyota Produktionssystems und wird dort zur Materialsteuerung und zur Steuerung der Produktion eingesetzt. Bei uns erfolgt das üblicherweise mit einem PPS-System, das die erforderlichen Informationen zentral verwaltet und in Form von Fertigungsaufträgen zur Verfügung stellt. Das Kanbansystem ist dagegen ein dezentrales Steuerungssystem, das unabhängig ist von einer zentral installierten Software, da der Kanban sämtliche Informationen enthält, die benötigt werden, um die Teile zu produzieren, zu lagern und zum Arbeitsplatz zu bringen.


Aufwand und Vorteile


Die Einrichtung eines Kanbansystems ist mit einen hohen Einmalaufwand verbunden. Einmal installiert, ist das Kanbansystem ein Selbstläufer. Das Kanbansystem erfordert eine hohe Disziplin der Mitarbeiter. Die Kanbanspielregeln müssen eingehalten werden. Das Kanbansystem kennt keine Fehlertoleranz. Dinge, die nicht in Ordnung sind, werden durch das Kanbansystem schonungslos aufgedeckt und anschließend - nein, nicht unter den Teppich gekehrt - sondern in Ordnung gebracht. Das Kanbansystem ist die sicherste Methode, schnell und nachhaltig Ordnung in jede Fabrik zu bringen. Der Grund hierfür: der Materialbestand in der Fertigung ist nahezu konstant, denn es können nur maximal soviele Behälter im Umlauf sein, wie Kanbans vorhanden sind.

Man unterscheidet zwei Arten von Kanbansystemen:


  Transportkanban

  Produktionskanban


Transportkanban


Der Transportkanban wird eingesetzt, um Materialbehälter vom Wareneingangslager oder aus einem Supermarkt an den Arbeitsplatz zu transportieren, an dem das Material verbaut wird.

Für Materialreichweiten in der Fertigung von Tagen oder gar Wochen gibt es keine rationale Begründung. In den meisten Fabriken wird das Material von Staplern in zu großen Behältern in die Produktion transportiert. Dabei orientieren sich die Behältergrößen nicht an den Bedürfnissen der Werker, sondern an den Kosten des Staplertransports. Je größer der Behälter, umso mehr Teile fasst er und umso weniger Staplerfahrten werden benötigt, um das Material vom Wareneingangslager in die Produktion zu bringen.

Bei einem Behälterinhalt von beispielsweise 300 Teilen, muss der Monteur 300 mal einen ergonomisch ungünstigen Handgriff machen, um die Teile aus dem Behälter zu entnehmen. Das kostet jedesmal 2 Sekunden, die nicht in die Kalkulation der Transportkosten eingehen. In die Rechnung geht auch nicht ein, dass ein zu großer Behälter mehrmals in das Lager zurückgefahren werden muss, weil er beim Variantenwechsel nicht leer ist, was aber der Normalfall ist.

Dass beim Variantenwechsel nicht mehr benötigtes Material gegen neues Material getauscht werden muss, ist überhaupt die Folge zu großer Behälter. Deshalb ist ein Ziel des Kanbansystems eine Materialbereitstellung, die beim Variantenwechsel den Behältertausch überflüssig macht. Das bedeutet Umstellung auf Kleinstbehälter, Einrichtung von Supermärkten und Materialanlieferung mit Zügen in hoher Frequenz.

Die Materialbereitstellung in Kleinstbehältern reduziert die Rüstzeit beim Variantenwechsel auf Null, denn sämtliche Teile, die für sämtliche Produktvarianten erforderlich sind, sind permanent am Arbeitsplatz verfügbar.

Aufgrund der Anlieferung des Materials im kleinstmöglichen Behälter, lässt sich der Materialumlauf in der Fertigung drastisch reduzieren. Damit wird die benötigte Materialstellfläche deutlich kleiner, so dass die Laufwege der Werker für die Materialentnahmen gegen Null gehen.

Die Haupteffekte des Transport-Kanbansystems sind also die folgenden:


  Konstante Materialmenge in der Fertigung

  Minimale Materialmenge am Arbeitsplätz

  Entfall der Rüstzeit beim Variantenwechsel

  Minimale Laufwege der Werker


Produktionskanban


Dieser Kanbantyp wird eingesetzt, um mehrstufige Fertigungsprozesse zu steuern, die nach dem Losgrößenprinzip arbeiten. Hierbei konkurrieren in der Regel mehrere Produktvarianten um die Fertigungskapazität auf einer Maschine.

Die Logistik erstellt ein Lieferprogramm, das die täglichen Bestellschwankungen des Kunden nivelliert. Das Lieferprogramm ist gleichzeitig das Produktionsprogramm, das im Idealfall eine Woche lang jeden Tag ohne nachträgliche Änderungen gefahren werden kann.

Bei einer PPS-gesteuerten Fertigung erstellt das PPS-System Fertigungsaufträge für jede Prozessstufe und zwar orientiert an den aktuellen Gegebenheiten jeder Fertigungsstufe. Das heißt, die Fertigungsaufträge basieren auf den Einzeloptima der einzelnen Prozessstufen. Das führt in der Regel dazu, dass in einer vorgelagerten Prozesstufe mehr Teile gefertigt werden, als in der nächsten benötigt werden. In diesem Fall spricht man von einer asynchronen Produktionsweise.

Die Folge sind Platzprobleme, fehlende Behälter und anschließende Sortieraktionen, bei denen das Material zum zweiten Mal in die Hand genommen werden muss, was wiederum mit der Gefahr von Beschädigungen verbunden ist. All das ist klassische Veschwendung, die es in einer Kanban-gesteuerten Fertigung nicht gibt, weil rücklaufend von der Endmontage zu den Vorprozessen nur das nachproduziert wird, was der Staplerfahrer gerade auf den Kunden-LKW gestellt hat.

Ein weiterer Vorteil gegenüber der PPS-Steuerung ist die Verlagerung der Entscheidungskompetenz an die Mitarbeiter im Prozess. Aufgrund der eindeutig definierten Spielregeln des Kanbansystems ist jederzeit klar, wann welche Maschine auf welches Produkt umgerüstet werden muss. Die Maschinenbediener müssen nicht mehr den Schichtführer oder einen Meister fragen, was als nächstes zu tun ist.


Haupteffekte


  Vermeidung von Überproduktion

  Vermeidung von Sortieraktionen

  Vermeidung von Teilebeschädigungen

  Minimale Halbfertigbestände in allen Prozessstufen

  Kürzeste Durchlaufzeiten

  Klare Entscheidungskompetenzen